Diskussion Stadtentwicklung: In die Höhe bauen oder Flächen versiegeln? – Teil 2

7. Juni , 2022

Teil 2: Möglichkeiten und Auswirkungen von Wohnraumschaffung

Sandhausen im Herzen der Metropolregion wird voraussichtlich weiterhin einen hohen Wohnungsbedarf haben. Darüber hinaus nimmt die Wohnfläche je Einwohner stark zu. Das führt zu der grotesken Situation, dass in Sandhausen auf dem gleichen Gebiet im Bestand immer weniger Menschen wohnen, obwohl ja immer mehr Menschen hier wohnen wollen. Also stellen wir uns die Frage: Wie schaffen wir mehr Wohnraum? Im zweiten Teil werden die Außen- sowie Innenentwicklung und deren Auswirkungen vorgestellt.

Flächennutzungsplan

Begleiten Sie mich auf einen kurzen Abstecher zum Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim. (Quelle) Dieser Verband ist Träger der gemeinsamen Flächennutzungsplanung und steht damit an der Schnittstelle zwischen den einzelnen Kommunen und der Regional- und Landesplanung.

Wichtigstes Werkzeug für unsere Kommune ist der Flächennutzungsplan (FNP). Darin wird die bauliche Entwicklung auf möglichst verträgliche Flächen gelenkt und damit eine nachhaltige Entwicklung angestrebt. Die Gemeinde kann daraus Bebauungspläne entwickeln und Baugebiete realisieren.

Außenentwicklung: neue Baugebiete schaffen

Unser jüngstes Neubaugebiet Neue Mühllach II ist bald vollständig bebaut. Laut dem FNP stehen Sandhausen eine Wohnbaufläche „Krautgarten“ im Norden mit einer Größe von 7 ha, sowie die Gewerbegebiete „Au“ am nördlichen Gewerbegebiet (3,5 ha) und „Mühlfeld“ bei Bruchhausen (10 ha) zu.

Wie wir aus dem ersten Teil erfahren haben, erschloss die Gemeinde Sandhausen in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Baugebiete, allein in den letzten 30 Jahren wurden 40 h Grünfläche versiegelt1. Das entspricht über 55 Fußballfeldern! Dabei gehen Lebensräume für Pflanzen und Tiere wie auch für Menschen verloren. Die Auswirkungen treten in der Regel schleichend und über längere Zeiträume auf. Deswegen ist es unser Ziel, die Flächeninanspruchnahme zu senken (für Baden-Württemberg auf unter 3 ha pro Tag in 2030) und langfristig Netto-Null (so viel ent- wie versiegeln). Das klingt immer noch sehr viel, ist es auch wenn man bedenkt, dass der Flächenverbrauch heutzutage bei 5 ha pro Tag liegt1.

Innenentwicklung/Nachverdichtung: Bestand besser nutzen

Unbestritten ist, dass Sandhausen Wohnflächen braucht. Aber braucht Sandhausen neue Bauflächen? Soll Sandhausen weiterhin Außenentwicklung betreiben, also Flächen auf der „Grünen Wiese“ bebauen? Können wir nicht einfach die vorhandenen Besiedlungen in die Höhe bauen? Denn wenn wir „im Grünen“ Einfamilienhäuser bauen und im Gegenzug mehrere Hektar Ackerland vernichten und versiegeln, ist das ökologisch katastrophal. Aktuell kommt noch hinzu, dass die regionale Landwirtschaft im Zuge des Ukraine-Krieges an Wichtigkeit gewonnen hat.

Neben dem „Bau in die Höhe“ gibt es noch weitere Verfahrensweisen der Innenentwicklung, auch bekannt als Nachverdichtung. Sie soll die vorhandene Potenziale im Bestand besser ausschöpfen. Dazu zählen u.a.:

  • Bau in 2. Reihe (Hinterlandbebauung)
  • Abriss vorhandener Bauten und Bau größerer Bauten
  • Aufstocken von vorhandenen Bauten, z.B. Dachgeschossausbau
  • Anbau von vorhandenen Bauten
  • Schließen von Baulücken
  • Vervollständigung offener Bebauung zu geschlossener Bebauung, etwa Blockrandbebauung

In Sandhausen wurde und wird die Innenentwicklung erfreulicherweise stark vorangetrieben. Auf unserer Homepage (www.gal-sandhausen.de) werden einige Beispiele der Nachverdichtung in unserer Gemeinde vorgestellt. In jüngster Zeit wurden bei uns häufig Dachgeschossausbauten durchgeführt, jedoch oft „nur“ der Bau von Dachgauben und seltener etwa der eines Vollgeschosses. In Sandhausen weit verbreitet ist der Neubau in zweiter Reihe. Dazu wird ein großes Grundstück genutzt, um ein zusätzliches Gebäude zu errichten. Das bietet sich zum Beispiel dann an, wenn Eltern ihren Kindern ein Teil des Grundstücks abtreten, damit sie dort ihr Häuschen bauen können. Die Betonung liegt auf Häuschen, da in dieser klassischen Variante im Hintergarten fast nur kleinere Häuser zu finden sind. Es gibt auch andere Beispiele in der Gemeinde: Statt eines privaten Weges erschließt eine öffentliche Stichstraße die neuen Gebäude, die dann in der Regel größer sind.

Andere Verfahrensweisen der Innenentwicklung sind seltener anzutreffen. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Gebäude in Sandhausen langsam, aber stetig, an Höhe gewinnen. Fraglich ist dabei oft, ob die Wohnungen vergrößert werden (siehe Teil 1 von letzter Woche) oder neue Wohnungen errichtet werden für mehr Menschen. Außerdem stößt es mir sauer auf, dass in Sandhausen offensichtlich relativ viele niedrige Gebäuden flächendeckend den Boden versiegeln anstatt dass flächensparend höher gebaut wird.

Der große Nachteil der Nachverdichtung ist, dass Grünflächen verloren gehen. Stadtökologie und Stadtklima werden teils erheblich beeinträchtigt, z.B. durch Wärmeinseln, Verlust von Luftschneisen sowie von Flora und Fauna. Darüber hinaus könnten auch die Anwohnenden sich durch zusätzliche Nachbarschaft in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt fühlen, da sie z.B. Lärm oder mehr Autoverkehr befürchten.

Dafür sind im Vergleich zur Außenentwicklung sehr große Vorteile zu betrachten: Wie bereits beschrieben führt die Nachverdichtung zu einer besseren Auslastung der vorhandenen Infrastruktur wie Kanalisation, ÖPNV, Straßen oder Nahversorgung. Diese müssen nicht im großen Umfang erst errichtet werden, sondern sind bereits verfügbar. Ebenfalls führt sie zu einer Vermeidung der Zersiedlung, da die Gemeinde kompakt bleiben kann. Das wiederum kann zu dem Leitbild der Stadtplanung „Stadt der kurzen Wege“ führen, wenn die Nachverdichtung zu einer stärkeren Nutzungsmischung beiträgt. Welche Bedeutung diese Begrifflichkeit hat, stelle ich nächste Woche im abschließenden dritten Teil vor.

Fazit

Die Innenentwicklung wurde schon lange als wesentliche städtebauliche Zielsetzung definiert. Dennoch wurde der Landschaftsverbrauch im Außenbereich in den letzten Jahrzehnten massiv vorangetrieben. In der bereits flächenmäßig intensiv genutzten Rheinebene um Heidelberg und Mannheim werden die Grenzen des Siedlungswachstums erreicht. In weiten Teilen von Politik und Gesellschaft setzt allmählich ein Umdenken ein.

Jetzt stellen Sie sich mal vor, Sandhausen könne von nun an keine weiteren neuen Baugebiete im Außenbereich ausweisen. Malen Sie sich einfach aus, unsere Gemeinde sei eine Insel wie Manhattan, umgeben von Gewässern, mit unserem alten Friedhof als Central Park. Welche Entwicklungen werden sich hier ergeben? Entstehen nach und nach höhere Gebäude, sogar Hochhäuser? Wie hoch ist es noch ansprechend? Was passiert mit den Miets- bzw. Grundstückspreisen, werden sie in die Decke schießen? Was können wir dagegen tun? Wie kann die Gemeinde noch Einnahmen generieren, wenn sie keine Grundstücke aus dem Außenbereich veräußern kann? Das sind Fragen, die ich nicht beantworten kann oder Entwicklungen, die ich nicht vorhersehen kann.

Eines steht jedoch fest: Innenentwicklung ist vor Außenentwicklung zu betreiben. Da ist Sandhausen zwar auf einem guten Weg, dennoch ist noch Luft nach oben. Ich glaube, dass die Aufstockung von zwei oder einem Vollgeschoss plus Dachgeschoss auf drei Vollgeschosse (+1DG) aktuell gut vertretbar ist. Diese sind jedoch langwieriger und vielleicht teurer als „einfachere“ Maßnahmen als nur ein Dachgaubenausbau bzw. ein Bau in hinterer Reihe. Die damit verbundenen Nachteile habe ich bereits erläutert: nur geringere Wohnraumschaffung bzw. Flächenversiegelung.

Für den dritten Teil habe ich schon kurz das Thema erwähnt: Es soll das Leitbild der Stadtplanung „Stadt der kurzen Wege“ vorgestellt werden. Der Aspekt der Nachverdichtung spielt dort eine wesentliche Rolle, denn im Sinne der kompakten und dichten Siedlung können verschiedene Grundbedürfnisse, wie z.B. Nahversorgung, erst aufgrund der Nachfrage überhaupt entstehen. Das trägt dazu bei, dass die Bevölkerung diese auf kurzem Wege erreichen kann, was zu einer Zeit- und Emissionsersparnis führt.

Lukas Öfele, Gemeinderat

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