Energiegenossenschaften zeigen, wie es funktioniert!
„Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss innerhalb der nächsten zehn Jahre der Umbau hin zu erneuerbaren Energien gelingen, sonst ist unser CO2-Budget schnell aufgebraucht“, macht Landtagskandidat Norbert Knopf die Dringlichkeit des Themas klar und begrüßt beim gut besuchten Online-Gespräch vertraute Gesichter. Laura Zöckler vertrat schon bei der Energiewende-Veranstaltung mit MetropolSolar die Heidelberger Energiegenossenschaft (HEG). Bekannt ist auch Stadt- und Kreisrat Ralf Frühwirt, der – was wiederum nicht so viele wissen – Aufsichtsratsvorsitzender der Bürger-Energie-Genossenschaft Leimen ist, die er mitgegründet hat.
Heidelberger Energiegenossenschaft
„Es funktioniert, die Lösungen für die Energiewende sind alle da“, bekräftigt Laura Zöckler, die sich im dreiköpfigen Vorstandsteam der HEG engagiert. Gegründet worden sei die Genossenschaft von Studenten, die kein Verständnis dafür hatten, dass Politik und Wirtschaft nicht viel stärker auf erneuerbare Energien setzen. Mit viel ehrenamtlicher Energie nahmen sie die Energieerzeugung selbst in die Hand. „Wir geben uns Mühe, uns nicht von den schlechten Rahmenbedingungen ausbremsen zu lassen“, so die HEG-Vorständin. Die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Nachdem der Photovoltaik-Ausbau in den letzten Jahren Fahrt aufnahm, geriet das Jahr 2020 zum Rekordjahr, sowohl bei der installierten Leistung als auch bei der Zahl der Mitglieder und Stromkund*innen. Die bisher größte Anlage ging auf dem Dach der Heidelberger Brauerei in Betrieb. Vorreiter ist die HEG mit inzwischen sieben Projekten beim Mieterstrom. In der Heidelberger Südstadt versorgt die Genossenschaft ein Quartier mittels Mieterstrom-Modell und Stromspeicher mit Sonnenstrom. Ergänzt wird das System durch eine Lade-Infrastruktur für Elektromobilität. Aufgrund der vielen Anfragen von Privatleuten hat die Genossenschaft eine Tochtergesellschaft gegründet, die Solaranlagen installiert.
Aber sie macht auch klar: Alleine schaffen wir Bürger*innen es nicht. „Die Klimagerechtigkeitsbewegung muss jetzt weiter Druck machen damit die Politik endlich handelt!“ Dazu gehöre es, dass man „die richtige Partei wählt und so lange treibt, dass wir die Ziele erreichen.“
Bei Norbert Knopf rennt sie damit offene Türen ein. Er hat sich die Bürgerenergie auf die Fahnen geschrieben und ist Anfang des Jahres Mitglied und Stromkunde der HEG geworden.
Bürger-Energie-Genossenschaft Leimen
Bürgerenergie-Pionier Ralf Frühwirt packte zu Beginn des Jahrtausends eine Solaranlage auf sein Dach, um einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Doch da dieses klein ist, reichte ihm das nicht. Als er von der HEG erfuhr, dachte er: „Das können wir in Leimen auch.“ 2012 gründete er die Bürger-Energie-Genossenschaft Leimen, die Mitte 2014 an den Start ging. Sie hat 65 Mitglieder und betreibt vier Anlagen auf städtischen Gebäuden in Leimen. Die nächste Anlage ist auf einem Gebäudeteil der Geschwister-Scholl-Schule geplant, der gerade neu gebaut wird.
Angesichts der Gründerstimmung dämpft er allerdings die Erwartungen: „Nur mit gutem Willen allein geht es nicht.“ Je einen Experten für Finanzen und Technik brauche man für den Vorstand und dazu weitere Engagierte. Geld habe die BEG Leimen genug, aber sie könne keine neuen Mitglieder aufnehmen, weil es an Projekten fehle. Statt über eigene Gründungen nachzudenken, empfiehlt er Gemeinden, den in der Region bereits bestehenden Bürgerenergiegenossenschaften geeignete Dächer anzubieten. Privatdächer lohnten sich für diese kaum, aber zum Beispiel könnten Vereine die Dächer von Reithallen oder Umkleiden an eine Bürgerenergiegenossenschaft verpachten. Wenn der Verein dann noch den Strom abnimmt, haben beide etwas davon: Der Verein kann günstiger Strom beziehen und die Genossenschaft einen besseren Preis erzielen, als wenn sie ihn für wenige Cent ins Stromnetz einspeist.
Diskussion
Ist es leichter, wenn man kooperiert?
Vernetzung ist ein wesentliches Element der Bürgerenergie. Die HEG hat sich an mehreren Windparkprojekten anderer Genossenschaften beteiligt. HEG und BEG Leimen sind Teil der Bürgerwerke, ein Verbund von 97 lokalen Energiegenossenschaften, der seinen Mitgliedern u.a. die Möglichkeit bietet, Ökostrom sowie Biogas aus organischen Reststoffen anzubieten. Geschäftsmodelle und fertige Konzepte lassen sich übernehmen. So hat eine Mitgliedsgenossenschaft aus Usedom schon früh ein regionales Elektroladenetz aufgebaut – die Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau hat das Konzept übernommen. Mit drei weiteren regionalen Bürgerenergiegenossenschaften haben die Kraichgauer zudem eine große Freiland-Photovoltaikanlage an der A6 realisiert.
Was ist von Balkonmodulen zu halten?
Doch auch im Kleinen lässt sich etwas bewirken. Auf Nachfrage bestätigt Laura Zöckler: „Wenn jeder Haushalt ein bis zwei Balkonmodule anbringt, hätten wir in der Summe etwas zustande gebracht.“ Das koste nicht viel, auch wenn die Anmeldung etwas Aufwand und Diskussion mit dem Netzbetreiber mit sich bringe. Auch Norbert Knopf erreichte als Kandidat schon eine Beschwerde über komplexe Anmeldeformulare. „Es ist eine der Aufgaben für uns Grüne, wenn es im September zu einer Beteiligung kommt, dass wir diese Hindernisse für Kleinanlagen beseitigen“, sagt er.
Was kann man auf regionaler Ebene noch tun, um bei der Energiewende die Kurve zu kriegen?
Kommunen können mit Vorgaben und Förderprogrammen Rahmenbedingungen setzen, bemerkt Laura Zöckler. Beim nötigen Ausbau sieht sie den Flaschenhals bei der Kapazität der Handwerker. Ralf Frühwirt regt an, dass die Berufsschulen des Rhein-Neckar-Kreises entsprechende Bildungsangebote schaffen und Fachleute ausbilden.
Was tun die Grünen?
„Wir wollten ja als Grüne in der Landesregierung schon im Oktober die Pflicht für Solaranlagen auf alle neu errichteten Gebäude und zu sanierenden Dächer haben, da hat dann der kleine Koalitionspartner nicht mitgespielt“, bemerkte Norbert Knopf. Nur auf Nichtwohngebäude, wie Gewerbegebäude, Parkhäuser oder Lagerhallen müssen ab dem kommenden Jahr Photovoltaikanlagen gebaut werden. „Das ist ganz klar, wo neu gebaut wird, da gehört eine Solaranlage drauf, weil es einfach den Klimaschutz voranbringt. Das ist das erste, was wir durchsetzen werden“, betont der Landtagskandidat.
Wo könnte man sonst noch Photovoltaik nutzen?
Aber das ist noch nicht alles. Es sei vergleichsweise ineffektiv, unter Einsatz von Pestiziden und Dünger Energiepflanzen wie Mais und Raps anzubauen und zu Methan zu vergären, um daraus Strom zu erzeugen, führt er weiter aus. Wenn man dieselbe Fläche naturschutzfachlich entwickelt, etwa mit Blühstreifen und Rückzugsgebieten für Vögel, und Module nicht zu dicht bzw. etwas höher anbringt, könnte man viel mehr Energie „ernten“ und zugleich die Umwelt schonen.
Gefördert werden auch Anlagen hoch über dem Acker unter denen Traktoren hindurchfahren können. Bei Trockenheit und intensiver Sonneneinstrahlung kann die Verschattung sogar von Vorteil sein. Auch mit senkrecht stehenden Solarmodulen lassen sich Landwirtschaft und Solarstromerzeugung unter einen Hut bringen.
Ralf Frühwirt erwähnte Ideen für Photovoltaikanlagen über Straßen und – als eingefleischter Radfahrer – über Radwegen. „Da wird man dann auch nicht nass.“
Und die Windkraft?
Beim Thema Windkraft sieht Ralf Frühwirt bei der Leimener Genossenschaft aktuell noch Akzeptanzprobleme. Anders Laura Zöckler. „Wir brauchen Windenergie und wir würden es sehr begrüßen, wenn wir auch hier welche bekommen“, sagt sie. Die Windkraftgegner seien sehr gut organisiert, aber wenn die Leute mitreden können und vor allem die Möglichkeit haben, sich finanziell zu beteiligen, dann finden sie es in Ordnung wenn da ein Windrad steht. Doch zunächst muss in Berlin die Bremse wieder gelöst werden.