Gemeinschaftsschule (GMS)
Hohe Erwartungen an die Gemeinde und den Gemeinderat
In der Gemeinderatssitzung am 24.06.2013 wurde der Antrag der Friedrich Ebert Werkrealschule Sandhausen auf Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule(GMS) zum Schuljahr 2014/2015 behandelt – und auch mit den Stimmen der Alternativen Liste (AL) zugunsten einer vorgeschalteten regionalen Schulentwicklungsplanung abgelehnt.
Mit dem Antrag waren viele Hoffnungen und gute Ansätze zur Veränderung der Schul- und Lernlandschaft in Sandhausen verbunden. Erwartungen, dass das schon sehr frühe Engagement der AL in Sachen Schulentwicklung am Standort Sandhausen zur uneingeschränkten Unterstützung des gestellten Antrages führen würde, mussten wir enttäuschen. Auch in der Vergangenheit war es die AL, die sich für eine nachhaltige, am Bildungsplan orientierte Lösung für Sandhausen ausgesprochen hat. Standortsicherung kann nicht das Hauptargument für Investitionen in die Zukunft der Schüler aus Sandhausen sein. Das Prinzip, wer „am lautesten und vor allem zuerst ruft“ bekommt den Zuschlag, sollte nicht Leitlinie unseres Handelns sein, das sich mit der Bildungszukunft unserer Kinder beschäftigt.
Sind jetzt alle Aktivitäten bislang umsonst gewesen? Was macht eine sozial gerechte, gute und leistungsstarke Schule aus? Wie kann man den unterschiedlichen Begabungen der Kinder gerecht werden?
Fragen über Fragen, die sich insbesondere die Gemeinderäte und Mitglieder der Alternativen Liste immer wieder gestellt haben. Der Schülerrückgang lässt sich schon seit längerem deutlich in den Statistiken ablesen. Auch die Schulen in Leimen, Nußloch und Walldorf müssen damit rechnen, dass die Zahl der Schüler, an allen Schularten bis zum Jahr 2025 insgesamt um knapp ein Fünftel weiter zurückgehen wird. Diese demografische Entwicklung, das veränderte Schulwahlverhalten, die wachsenden Ansprüchen an die Schulabschlüsse sowie die teilweise ineffiziente Ressourcensteuerung durch Kleinstschulen, machen eine regionale Schulentwicklung erforderlich. Das Ziel ist, jedem Schüler, unter Berücksichtigung demografischer und gesellschaftlicher Veränderungen langfristig in erreichbarer Nähe den bestmöglichen Schulabschluss zu ermöglichen. Der Mangel an Schülern zwingt die Schulen in eine Konkurrenzsituation, an deren Ende das unkontrollierte „retten aller Standorte“ so in den Vordergrund rückt, dass gute pädagogische Ansätze wieder im Hintergrund stehen könnten.
Aus pädagogischer Sicht sind Kleinstschulen nicht förderlich, sie ermöglichen keine Vielfalt im Bildungsangebot, zumal Schüler mit ehemals gymnasialer Bildungsempfehlung diese Schulen meiden, und das Gymnasium vorziehen. Immerhin gelten aber, laut Schulleiter Schnitzler, seit dem Wegfall der Grundschulempfehlung zehn Prozent der Fünftklässler im Gymnasium als akut versetzungsgefährdet. Schnitzler sagte: „Das kannten wir zuvor nicht“. Für das Gelingen einer integrativen Schule ist breite Heterogenität der Schülerschaft (alle Leistungsebenen) sowie ein breites Fach und Ergänzungsangebot erforderlich, was an Kleinstschulen nicht zu stemmen ist. Die Vertretungsmöglichkeiten sind an kleinen Schulen erheblich schwieriger, was bereits heute zu vermehrtem Stundenausfall führt Die Kinder sollen in dieser Schule der Vielfalt gemäß, ihrer individuellen Stärken und Schwächen gefördert und zu ihrem bestmöglichen Bildungsabschluss begleitet werden.
Bedeutet die Gemeinschaftsschule eine Abkehr vom Leistungsgedanken und Gleichmacherei…
Der nachfolgende Abschnitt wurde von der Gemeindeverwaltung gestrichen:
„…wie es im Artikel der CDU (vgl. Gemeindenachrichten vom 12.07.13) behauptet wird? Also, wie sagt doch der Lateiner: „Si tacuisses, philosophus manisses“ („Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben“ (=hättest du nicht deine Unwissenheit verraten).“
Wir sagen ganz deutlich: Nein! Die GMS verabschiedet sich vom enormen Leistungsdruck, der im bisherigen Schulsystem auf den Schülern lastet. Es geht nicht mehr in erster Linie um Noten, sondern darum, den unterschiedlichen Leistungen und Leistungsvermögen der Schüler gerecht zu werden. In den Ganztagsschulen wurde die Erfahrung gemacht, dass Schüler in der 5. und 6. Klasse „Entwicklungsschübe“ machen, also in den Klassenstufen, wo alle noch gemeinsam lernen.
Viele Schüler bleiben im bisherigen System unter ihren Möglichkeiten, schwächere Kinder verlieren den Anschluss und begabte können ihre Potenziale nicht ausschöpfen. Leistung ist in der GMS gefragt. Um diese zu erreichen, gibt es mehr Feedback und individuelle Förderung, um früh auf Rückstände hinzuweisen und Stärken zu fördern. Gemeinschaftsschulen orientieren sich nicht nur an Defiziten, sondern auch an den Stärken, denn Erfolgserlebnisse machen Mut, neugierig und motivieren.
Jedes Kind braucht und verdient unsere Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Unterstützung. Deshalb sind die Anforderungen an unser Bildungssystem hoch. Es soll nicht nur gewährleisten, dass Kinder lesen und schreiben lernen, es muss mehr können. Ein gutes Bildungssystem legt den Grundstein für das spätere berufliche, gesellschaftliche und soziale Leben. Es schafft die Grundlage für eine moderne, vielfältige und offene Gesellschaft. Es weckt die Neugierde in Kindern und ermöglicht ihnen ein selbstbestimmtes Leben.
Dafür braucht ein Bildungssystem gute Schulen und engagierte Lehrer. Schulen, die dafür sorgen, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben. Schulen, die es den Kindern ermöglichen, voneinander und miteinander zu lernen. Schulen, die Stärken fördern und Schwächen nicht gegen die Kinder wenden und Druck aufbauen. Schulen, die jedem Kind und seinen individuellen Bedürfnissen gerecht werden und unter einem Dach mehrere Bildungsabschlüsse anbieten.
All dies sind Merkmale einer guten Schule, die den Anforderungen der heutigen Zeit entspricht und die Kinder in den Fokus nimmt. Nicht Überlastung, Prüfungsangst und Notendruck sollen die schulische Laufbahn prägen, sondern positive Aspekte, die die Motivation fördern, die die Lust am Lernen wecken und leistungsstarke Schülerinnen und Schüler zur Folge haben.
Unsere Antwort auf die Anforderungen an ein gutes Bildungssystem ist eine Schule der Vielfalt, ein Lern- und Lebensort. Eine Schule, die sich an den Bedürfnissen der Kinder orientiert und in der Individualität und Gemeinschaft keine Gegensätze, sondern Teile eines Ganzen sind. Unsere Antwort ist – die Gemeinschaftsschule.
Aus den oben aufgeführten Gründen wird sich die Alternative Liste auch weiterhin für einen regionale Schul-und Bildungslandschaftsentwicklung einsetzen. Der Standort Sandhausen bietet sowohl im Schulzentrum als auch in der Infrastruktur schon wichtige Voraussetzungen einer zukünftigen GMS, denen sich die Verantwortlichen der beteiligten Gemeinden nur schwer entziehen können. Alle Schüler und Eltern können sich sicher sein, dass wir die getroffenen Aussagen der Verwaltungsspitze „einen regionalen Schulentwicklungsplan sofort anzustoßen“ nach Kräften unterstützen aber auch kritisch begleiten und einfordern werden.
Ralf Lauterbach und Gerhard Hettinger
(Gemeinderäte der Alternativen Liste)